KLAVIER VERSUS KEYBOARD

Herbert Schmid zum Thema „Klavier versus Keyboard“

Mein Credo geht in Richtung natürliche Saitenamplitude, sprich die natürlich, schwingende Saite, die im menschlichen Ohr Sachen bewirkt, worüber Doktorarbeiten geschrieben wurden. Jeder musische Mensch weis wovon ich spreche. Vergleicht doch einmal die Klänge von Keyboard und Klavier! Sicher, es gibt Keyboards, die in der Anschlagsdynamik dem Klavier „fast“ gleichen, die sogar den Klang des Resonanzbodens „mitgesampelt“ haben und fast ähnlich sind. Aber: die dem akustischen Klavier am nächsten kommenden Elektronikinstrumente kosten zum einen weit mehr als ein europäisches Piano. Und: diese Instrumente erklingen immer als Kopien. Und keine Kopie, nicht die des Chor-Sounds, der Streicher, des Saxophon oder des Lautenzuges ist so „hässlich“ als die Kopie des Klaviers. Die meisten „Piano-Sounds“ sind „gesampelte“ S&S D-274. Obertöne und der Wohlklang lassen sich nicht einfangen. Das wird jeder Tonmeister bestätigen können. Wenn jetzt schon der Klang als integraler Basisbestandteil des Musizierens oberflächlich ist wird auch das Musizieren eines talentierten und interessierten Menschen in seiner Entwicklung von Beginn an behindert und auf über Oberflächlichkeit hinausgehen.

Nach meinem Empfinden: reine Zeitverschwendung

Das Keyboard hat jedoch Vorteile, die auf der Hand liegen… Ich werde oft gefragt, warum das Keyboard kein „Klavierersatz“ sei, warum man darauf nie Klavierspielen lernen kann. Ich mache dann immer folgenden Test – und sage den Leuten: Vergleichen Sie beide, und wenn Sie keinen Unterschied merken oder hören, kaufen Sie sich ein Keyboard! Denn dieses besitzt wirklich eine Menge Vorteile: Es ist Platz sparend, man kann aus Gründen der Lautstärke mit Kopfhörern arbeiten, man spart den Klavierstimmer, man kann es auf ein Boot mitnehmen, man kann es fast im Vorbeigehen kaufen. Und – es ist eine Automatik eingebaut samt Metronom, Aufnahmemodus, Playback, diversen Registern. Es ist zwar nach wenigen Jahren wertloser „Elektronikschrott“ – aber auch an das sind wir ja aus anderen Bereichen bereits gewöhnt – aber wem das egal ist….?

Nach meinem Empfinden: reine Geldverschwendung

Das war´s dann aber auch schon mit den oft so als „Vorteilhaft“ angepriesenen Unterschieden zwischen Keyboard und Klavier. Nehmen Sie den gesellschaftlichen Bildungsanspruch: Schüler wundern sich, wenn sie sich – bei einem bedachten Lehrer –im Rahmen des Unterrichts ernsthaft auch mit Harmonielehre, Notenlesen und Tonsatz auseinandersetzen. Denn oft denken sie, das elektronische „Keyboard-Spielzeug“ kann das doch alles „von ganz alleine“. Wie bei einem z.B. CD-Player – dort muss man ja auch nur den Ein- und Ausschalter betätigen. (Der hat übrigens den „Vorteil“, dass er noch kleiner ist als ein Keyboard……….)
Meiner Meinung nach sollten doch die Pädagogen massiv dagegen steuern, oder?

Es scheint mir, als sägten immer mehr Klavierlehrer am eigenen Ast. Leider ist die Tatsache die, dass die „Tasten-Lehrer“ cool und in sein wollen, um die Schüler (und deren zahlende Eltern) bei Laune zu halten. Das ist das eine Dilemma, dass Musikpädagogen vielfach nicht mehr den Instrumental als wertvolle Bildung vermitteln können, da Sie bei immer mehr Eltern auf „taube Ohren“ stoßen. Das andere Dilemma ist, dass die Schüler so ein Elektro-Ding als eine Art besseren Game-Boy verstehen und natürlich ohne entsprechende Erklärung von Eltern und/oder Lehrer nur schwer verstehen können, warum man auch auf den Tasten – beim Musizieren – regelmäßig und mit Disziplin üben sollten.

Wenn Klavierlehrer dieser „modernen“ Situation nicht aufklärend und erfolgreich entgegenwirken – werden auch Sie möglicherweise schon bald durch elektronische Vorrichtungen – welche dann direkt in die Keyboard eingebaut sind – ersetzt werden. Der E-Lehrer oder Digital-Lehrer ! Absurd? Unmöglich? Wir werden sehen….? Ja, das Keyboard ist das falsche Instrument, um nachhaltig erlebnisreiches Musizieren zu lernen. Die meisten Kinder spielen darauf ein bis zwei Jahre, spätestens dann verlieren sie die Lust. Ich habe mich oft gefragt, warum das so ist. Das Instrument bringt anscheinend nicht das, was sie sich erhofft haben an Wohlklang, an Spielrausch, an Lust und Gefühl. Eine synthetische Maschine mit Kabeln, Strom und Schaltern kann das alles gar nicht erfüllen. Das wahre Erlebnis beim Musizieren finden durch die akustische und obertonreiche Klänge und deren in folge ausgelösten Reize im menschlichen Gehirn statt. Das lesen von Betriebsanleitungen elektronischer Keyboards führen wahrscheinlich selten zu einem nachhaltigen Erlebnis.

Eltern haben meist eine bestimmte Summe im Kopf, die sie für die Freizeit ihrer Kids ausgeben wollen, dazu zählen meist noch Judo, Eislaufen, Schwimmen, Englisch oder Volleyball. In jedem fall glauben sie den Kindern gutes zu tun in dem sie ihnen so viele Freizeitaktivitäten wie nur möglich parallel „finanzieren“. Vor diese Situation gestellt, kaufen sie dann meist ein billiges Keyboard. Da können sie lange warten, denn meist hören sie eben so schnell wieder auf. Das Ergebnis: Das Keyboard steht meist nach wenigen Wochen zusammengefaltet hinter dem Schrank. Aber die Quantität der Beschäftigung ist es nicht was langfristig befriedigen wird.

Andere Eltern in der gleichen Situation kaufen ein altes, kaputtes Klavier, weil man ja erst einmal testen will. Das kaufen sie sehr selten beim Fachhändler oder Klavierbaumeister, sondern meist beim Altwarenhändler. Leider weiß ich, dass diese aufgetakelten alten Klaviere nach einigen Wochen viel zu trocken stehen, ihre Klangqualitäten verlieren und bald wieder nur mehr dumpf klingen. Ob Keyboard oder „Ur-Altklavier“ auch hier ist meine Erfahrung: zu 99,9% ist es Geldvernichtung)

In einer mir bekannten Musikschule lernten 28 Schüler Keyboard, acht Schüler hatten hingegen Klavierunterricht. Nach vier Jahren hatten alle 28 Keyboard-Schüler aufgehört mit dem Unterricht. Von den Klavierspielern machten jedoch sechs einen Abschluss auf dem Instrument.

— Herbert Schmid —

 

Ich habe auch Zahlen und Beweise. Ein Beispiel aus der Provinz, wo übrigens fast jeder Schüler ein Instrument zu spielen lernt. In einer mir bekannten Musikschule lernten 28 Schüler Keyboard, acht Schüler hatten hingegen Klavierunterricht. Nach vier Jahren hatten alle 28 Keyboard-Schüler aufgehört mit dem Unterricht. Von den Klavierspielern machten jedoch sechs einen Abschluss auf dem Instrument. Und die restlichen zwei wechselten das Fach und sind später in die Trachtenkappelle eingetreten. Meine Aussage ist: Man sperrt die Kinder durch die Keyboard- Beschäftigung nicht nur weg vom Klavier, sondern auch weg von der Musik. Ich bin mir sicher, dass in den vergangenen Jahrzehnten der eine oder andere „Mozart“ vom Musizieren abgehalten wurde. Es ist peinlich, wenn heutzutage an Musikgymnasien oder –Hauptschulen musikalische Klassenabende mehrheitlich aus synthetischen Klängen bestehen. Denn beim Klavier fand und findet noch immer auch der bildungstheoretische Anspruch seine Verwirklichung. Die Schüler werden zu umfassend gebildeten Menschen. Denn Klavierunterricht, wenn er gut gemacht ist, (nicht mit 4 oder 5 Kindern pro Stunde) umfasst neben dem rein technischen Vermitteln auch das Blattspiel, die Improvisation, die Kammermusik sowie Musiktheorie und Gehörbildung.

Wer einmal erlebt hat, wie beim Improvisieren und Harmonisieren am Klavier oder Flügel die Zeit verfliegt, wird nicht mehr zurückwollen. Es findet eine gewisse Identifikation statt. Ein Klavierprofessor berichtete einmal: „Mein Flügel wird hingegen immer wieder mit viel Zuwendung im Bestzustand gehalten. Wir sind sozusagen per Du, vor allem dann, wenn er mich beflügelt, oder, was bisweilen vorkommt, er verstimmt ist und sich sonst wie launenhaft zeigt. So gesehen, hängt meine Stimmung weitgehend von seiner ab. Und auf diese konträren und heftigen Gefühle möchte ich nicht verzichten, niemals würde ich sie für ein synthetisch-lauwarmes Einerlei eintauschen!“

Das würde ein Besitzer eines Keyboards nie glaubhaft schreiben können. Die diese Apparate herstellende Industrie verdient jedoch sehr viel Geld. Daher können sie immens beworben werden. Aber – der musikalische Nachwuchs hat heutzutage oft kaum mehr Möglichkeiten des Erfahrens eines authentischen Klavierklanges. Die Qualität macht aber Erlebnisse erst zur wertvollen und nachhaltigen Bereicherung eines Menschenlebens. In der Musik ist die hörbare Qualität der gespielten Noten untrennbar mit Lehre(r), Schüler und Instrument verbunden. Und es ist nicht nur der Klang der gespielten Noten, es ist das gestalterische Empfinden, die Lust am Ausdruck, die kindästhetische Energie, die spürbar wird und die Lust am Sich- Versenken, die das Einswerden mit dem aus Naturmaterialien gemachten Klavier garantiert.

Posted on 20. Februar 2014 in Allgemein

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